Dieses Land kann man zuerst hören, bevor man es sieht. Es klopft und summt sich an einen heran, kündigt sich in harschen Rhythmen und blechernen Sounds an. Die Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn, eine Strecke von 10.000 Kilometern, ist auch eine musikalische. Man begegnet singenden Frauen, die davon träumen, in Manhattan zu wohnen, ihre Geheimnisse mit Demi Moore zu teilen und in einem Tarkowski-Film mitzuspielen. Man begegnet einem Gitarristen mit Goldzähnen im Mund, der meint, hinterm Fieberwahn ein Licht auszumachen. Die Bilder sind farblos, aber nah, Gesichter sollen erkundet werden, Farbe und Zeichnung der Iris, Lippen, Gebisse, die Struktur von Haut. Was bedeutet Ruhe? Alle finden unterschiedliche Antworten auf diese Frage. Gleichzeitig ist es der Film selbst, der nicht zur Ruhe kommen möchte, sich keinen Stillstand erlaubt. Aber er hetzt auch nicht, sondern ergibt sich vielmehr einem Groove, der ihn von einer Stadt in die nächste führt, die ansässigen Künstler, Musiker und Gescheiterten trifft. „The Sleeping Land“ ist ein Jam durch ein gefrorenes, aber keinesfalls erstarrtes Russland.
Carolin Weidner