Filmarchiv

Jahr

Int. Wettbewerb Kurze Dokfilme 2013
The Love Agency Martina Carlstedt

Eine Partnervermittlung in Archangelsk, ein paar einsame Herzen mit hohen Ansprüchen und ein Abend mit viel Cognac, Puschkin und Augenaufschlag. So geht’s – Dating ohne Internet!

The Love Agency

Dokumentarfilm
Schweden
2013
27 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Martina Carlstedt
Regie
Martina Carlstedt
Musik
Eirik Røland, Olle Markensten
Kamera
Martina Carlstedt
Schnitt
Alexandra Litén
Ton
Johan Embring
In Zeiten, da selbst der KGB wieder auf Schreibmaschine umsattelt, kann man sich in Fragen der Liebe erst recht nicht aufs Internet verlassen. In Archangelsk jedenfalls, unweit des nördlichen Polarkreises, regelt man die Dinge noch analog und mithilfe eines Hefters voller Fotos. Da kommt rein, wer vorher in der Heiratsvermittlung (oder ist es wirklich eine Liebesagentur?) „Jevgenia“ zu Protokoll gab, wonach das Herz begehrt. Woraufhin Svetlana zum Hörer greift – alles Chefsache! – und beherzt zusammenführt, was sich im Leben nicht fand.
Was dann freilich passiert, kann so oder so ausgehen. Etwa wie bei Anna, die ehrlich über ihr Leben spricht, während sich Alexey nur für Fleisch und Soße interessiert. Oder aber als veritabler Coup de foudre wie bei Svetlana und ihrem Vladimir, aus dem im Verlauf des mit reichlich Cognac und russischer Poesie getränkten Abends erst Volodya und schließlich Volodichka wird. Amors Pfeile schießen wie stählerne Geschosse durch die Bar, und wie die Schminke auf den Gesichtern der vom Leben gebeutelten alten Mädchen ist alles immer ein bisschen zu viel, zu süß, zu fett. Ist das unecht? Aber wer weiß schon, was echte Liebe ist?
Wieder gelingt Martina Carlstedt in der nur ihr eigenen Art dokumentarischer Inszenierung ein Kabinettstück, eine melancholische Etüde über die Einsamkeit – auch wenn Svetlana und Vladimir am Ende dieses Abends ganz sicher heiraten wollen.

Grit Lemke
Int. Wettbewerb Kurze Dokfilme 2013
With Open Eyes Erik Bäfving

Kann man einen Vater lieben, der sich aus dem Staub macht und keine Gelegenheit lässt, das Warum zu ergründen? Akribische Bildbefragung und Familienchronik, einmal durchgewirbelt.

With Open Eyes

Dokumentarfilm
Schweden
2013
14 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Erik Bäfving
Regie
Erik Bäfving
Musik
Gustav Wall
Schnitt
Erik Bäfving
Ton
Martin Hennel
Eines Tages stürzt sich der Vater ohne jede Vorwarnung aus dem Fenster seines Büros zu Tode. Der Sohn findet eine Nachricht: „Ich hoffe, du wirst mich eines Tages wieder mögen.“ Diesem Satz ist der Film gewidmet, der 25 Jahre später entsteht. Den Jungen von einst, Erik Bäfving, hat er nie losgelassen. Kann man einen Vater lieben, der sich einfach so aus dem Staub macht und keine Gelegenheit lässt, nach dem Warum zu fragen? Als Kind zog sich Erik Bäfving in die Welt seiner Zeichnungen zurück. Nun unterzieht er die Familienfotos einer akribischen Bildbetrachtung. Er wendet die Fotografien hin und her, um nach Andeutungen und Zeichen in den Gesichtern, Gesten und Gruppenarrangements zu suchen. Aus Negativen entstehen Positive und umgekehrt. Den Inszenierungen aber ist zu misstrauen, denn die Familienchronik erweist sich zusehends als Menetekel, der keine Generation entkommt. Die Bilder verlieren ihren angestammten chronologischen Platz, sie verwirbeln und finden neue Zuordnungen, die etwas über Abhängigkeiten und Ängste andeuten.
„With Open Eyes“ ist Teil einer Trilogie. Schon in den Filmen „Boogie Woogie Daddy“ (Goldene Taube bei DOK Leipzig 2002) und „Inbetweener“ suchte der Regisseur Versöhnung mit der Vergangenheit – ein Prozess, der nie aufhört, weil der Vater immer fehlen wird.

Cornelia Klauß