Filmarchiv

Deutscher Wettbewerb 2018
Der Esel hieß Geronimo Arjun Talwar, Bigna Tomschin

Die Insel war ein gemeinsamer Traum, der platzte. Jetzt schaukeln alle ehemaligen Bewohner auf ihren Schiffchen im Hafen, betrauern, beschimpfen, betreiben Fehleranalyse.

Der Esel hieß Geronimo

Dokumentarfilm
Deutschland,
Schweiz
2018
80 Minuten
Untertitel: 
englische
deutsche

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Arjun Talwar (Lo-Fi Films)
Regie
Arjun Talwar, Bigna Tomschin
Kamera
Arjun Talwar
Schnitt
Bigna Tomschin
Buch
Arjun Talwar, Bigna Tomschin
Ton
Franek Kosłowski
„Eine Insel hat immer zwei Seiten. Die eine heißt Sommer und die andere heißt Winter“, sagt ein Mann namens Rüdiger. Eine Tatsache, die das Leben auf der Insel erschwert, denn die Bewirtschaftung und das Überleben im Winter seien ungleich härter. Andere Hürden des Zusammenlebens: der berühmte Inselkoller, der wohl weltweit auf den unterschiedlichsten Breiten- und Längengraden grassiere.

Die Bewohner der Großen Ochseninsel in der Ostsee konnten all diesen Widrigkeiten über zehn Jahre standhalten. Dann haben sie sich überworfen, das Eiland verlassen, fast alle mit gebrochenem Herzen. Niemand hat den Ort und das, was dort vorgefallen ist, überwunden. Die Insel ist Gesprächsthema, nagende Leerstelle, pochende Wunde. Auf ihr scheint es einen Esel gegeben zu haben, der sich Geronimo nannte. Aber auch unzählige Rosensorten, Kaffee und Bier für alle, die zu Besuch kamen, dazu Musik, Veranstaltungen, einen gemeinsamen Traum. Ein Fixpunkt im Meer. Ohne ihn hätten die Seemänner den Boden unter den Füßen verloren, meint eine Freundin. Und wirklich liegen nun alle auf ihren kleinen Schiffen vor Anker, schaukeln, trinken, schimpfen auf- und bespähen einander, sinnieren.

Carolin Weidner


Nominiert für den Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts und den ver.di-Preis für Solidarität, Menschlichkeit und Fairness

Deutscher Wettbewerb 2014
Die Böhms – Architektur einer Familie Maurizius Staerkle-Drux

Gottfried Böhm ist „der Boss“, Patriarch einer Architektendynastie. Doch mit dem Tod seiner Frau wackelt das familiäre Fundament. Sorgfältig gearbeitete Erforschung eines Universums.

Die Böhms – Architektur einer Familie

Dokumentarfilm
Deutschland,
Schweiz
2014
85 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Carl-Ludwig Rettinger, Lisa Blatter
Regie
Maurizius Staerkle-Drux
Musik
Jonas Buehler
Kamera
Raphael Beinder
Schnitt
Anika Simon
Buch
Maurizius Staerkle-Drux
Ton
Maurizius Staerkle-Drux
Gottfried Böhm zählt zu den bedeutendsten deutschen Architekten der Gegenwart. Seine Bekanntheit gründet sich auf die Schaffung skulpturaler Bauten aus Beton, Stahl und Glas, von denen einige als Architektur-Ikonen des 20. Jahrhunderts gelten. Als Sohn von Dominikus Böhm ist er Patriarch einer Architektendynastie, zu der seit langem auch seine Söhne Stephan, Peter und Paul Böhm gehören. Inzwischen 94 Jahre alt, arbeitet er noch täglich an den Planungs- und Konstruktionsvorhaben des Büros mit. Als vor einigen Jahren Gottfried Böhms Frau Elisabeth starb, ebenfalls Architektin und maßgebliche Quelle der Inspiration aller vier Böhms, wurde die Familie ihres emotionalen Zentrums beraubt.
Mit bewunderungswürdigem bildlichem Gespür setzt sich Maurizius Staerkle-Drux mit den verschiedenen architektonischen Universen der Böhms auseinander und nähert sich darüber hinaus auch den feinen Unterschieden zwischen Selbst- und Fremdbild seiner Protagonisten. Der Titel des Films darf durchaus wörtlich genommen werden: Es geht vor allem um die Architektur einer Familie, erst danach um das Porträt einer prominenten Architektenfamilie.

Ralph Eue



Ausgezeichnet mit dem Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts 2014

Talking Money

Dokumentarfilm
Georgien,
Deutschland,
Schweiz
2017
81 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Susann Schimk
Regie
Sebastian Winkels
Kamera
Sebastian Winkels
Schnitt
Frederik Bösing
Buch
Sebastian Winkels
Ton
Frederik Bösing, Nelson Marca Esprella, Corneille Houssou, Till Passow, Markus CM Schmidt, Johannes Schneeweiß, Niko Tarielashvili
Wer seine Hausbank zum Beratungsgespräch aufsucht, hat entweder zu viel oder zu wenig Geld. Überhaupt „Hausbank“ – das klingt nach Verbundenheit, nach „Finanzarzt des Vertrauens“. In jedem Fall entsteht dieser besondere Gesprächsbedarf aus Missverhältnissen: zwischen Träumen und Einkommen, Investitionsbedarf und Risikoprognose, persönlichen Umständen und objektiven Sachzwängen. Dass sich daraus eine wiederum besondere Gesprächskultur ergibt, und zwar eine, die in Bolivien nach ähnlichen Regeln verläuft wie in der Schweiz oder in Pakistan, ist die These von Sebastian Winkels’ Film. Und egal, in welches Kreditinstitut dieser Welt man ihm folgt und welcher Landessprache man dort lauscht: übereinandergelegt, wird aus den Bild- und Tonspuren der Einzelsitzungen ein Sound, von dem der Bankkunde als kollektives Subjekt ein Lied singen kann. Oh, diese Scham über die eigene finanzielle Impotenz. Ach, diese Lebensbeichten, zu denen er sich genötigt sieht. Und herrje, diese Ohnmacht, mit der er sich den Zahlenkolonnen ergeben muss.

Die Kamera ergreift Partei – nicht moralisch, sondern dramaturgisch. Sie ist immer hinter dem Tisch aufgestellt, dort, wo die geschulten Ablehner und Formblatterklärer sitzen, von denen man allerdings selten mehr als einen Ärmel sieht. Und sie hält die Blicke der vorbeidefilierenden Bittsteller und Beratungsbedürftigen aus wie eine beschlagene Anthropologin: unbestechlich, aber berührbar.

Sylvia Görke


Nominiert für ver.di-Preis für Solidarität, Menschlichkeit und Fairness, Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts, DEFA-Förderpreis