Wer seine Hausbank zum Beratungsgespräch aufsucht, hat entweder zu viel oder zu wenig Geld. Überhaupt „Hausbank“ – das klingt nach Verbundenheit, nach „Finanzarzt des Vertrauens“. In jedem Fall entsteht dieser besondere Gesprächsbedarf aus Missverhältnissen: zwischen Träumen und Einkommen, Investitionsbedarf und Risikoprognose, persönlichen Umständen und objektiven Sachzwängen. Dass sich daraus eine wiederum besondere Gesprächskultur ergibt, und zwar eine, die in Bolivien nach ähnlichen Regeln verläuft wie in der Schweiz oder in Pakistan, ist die These von Sebastian Winkels’ Film. Und egal, in welches Kreditinstitut dieser Welt man ihm folgt und welcher Landessprache man dort lauscht: übereinandergelegt, wird aus den Bild- und Tonspuren der Einzelsitzungen ein Sound, von dem der Bankkunde als kollektives Subjekt ein Lied singen kann. Oh, diese Scham über die eigene finanzielle Impotenz. Ach, diese Lebensbeichten, zu denen er sich genötigt sieht. Und herrje, diese Ohnmacht, mit der er sich den Zahlenkolonnen ergeben muss.
Die Kamera ergreift Partei – nicht moralisch, sondern dramaturgisch. Sie ist immer hinter dem Tisch aufgestellt, dort, wo die geschulten Ablehner und Formblatterklärer sitzen, von denen man allerdings selten mehr als einen Ärmel sieht. Und sie hält die Blicke der vorbeidefilierenden Bittsteller und Beratungsbedürftigen aus wie eine beschlagene Anthropologin: unbestechlich, aber berührbar.
Sylvia Görke
Nominiert für ver.di-Preis für Solidarität, Menschlichkeit und Fairness, Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts, DEFA-Förderpreis