Filmarchiv

Wettbewerb für junges Kino 2014
All Things Ablaze Oleksandr Techynskyi, Aleksey Solodunov, Dmitry Stoykov

Der Maidan als Schlachtfeld: Aus Protest wird Gewalt und Kontrollverlust – auf beiden Seiten. Atemlose, unaufhaltsame Bewegung, mit der Energie der Masse, bis zum Inferno.

All Things Ablaze

Dokumentarfilm
Ukraine
2014
82 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Yulia Serdyukova
Regie
Oleksandr Techynskyi, Aleksey Solodunov, Dmitry Stoykov
Musik
Anton Baibakov
Kamera
Oleksandr Techynskyi, Aleksey Solodunov, Dmitry Stoykov
Schnitt
Marina Maykovskaya, Aleksey Solodunov
Ton
Oleg Golovoshkin, Boris Peter
Es wird vielleicht noch länger so sein, dass die Ukraine in Flammen steht und das Sinnbild des Kiewer Maidan – brennende Tonnen und Reifenbarrikaden – der visuelle und olfaktorische Knotenpunkt des revolutionären Gedächtnisses bleibt. Die Gesichter voller Ruß, entschlossen, aber müde. Die Köpfe blutig, aber hart. Der Schlachtruf „Ruhm der Ukraine, Ruhm den Helden“ hallt über den Platz, in allen Tonlagen, ein eigenartiger gemeinsamer Nenner der Aufständischen. Was mit Trommeln, Dudelsack und Europafahnen begann und nahtlos in den blutigen Widerstand gegen Knüppel-Bataillone und Gewalt auf beiden Seiten mündete, entfachte – das wird in diesem unkommentierten und doch aussagestarken wie informativen Gemeinschaftsprojekt mehr als deutlich – eine Energie der Masse, die unberechenbar und unaufhaltsam ist.
Im Kern des Films findet sich eine Szene, deren Länge an die Grenzen des Erträglichen geht, deren Symbolkraft aber gerade deshalb auch körperlich spürbar wird: Da demolieren Demonstranten freudig und mit aller Kraft eine riesige Leninbüste und schießen Siegesfotos (ohne recht zu wissen, was Lenin genau mit ihrem Hass zu tun hat), während ein alter Sowjet-Typ das geliebte steinerne Kolossfragment umarmt und nicht mehr freigeben will, bis er beinahe kollabiert. Der Maidan als Schlachtfeld. Quelle horreur!

Barbara Wurm



Ausgezeichnet mit dem MDR-Filmpreis 2014

Maidan

Dokumentarfilm
Niederlande,
Ukraine
2014
128 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Sergei Loznitsa, Maria Choustova-Baker
Regie
Sergei Loznitsa
Kamera
Sergei Loznitsa, Serhiy Stefan Stetsenko, Mykhailo Yelchev
Schnitt
Danielius Kokanauskis, Sergei Loznitsa
Ton
Vladimir Golovnitski
Sie singen ihre Nationalhymne, gemeinsam und mit Pathos, individuell und mit Gitarre. Sie singen (auf den ungeliebten Präsidenten Janukowitsch gemünzt) „Vitja, ciao, Vitja, ciao, Vitja, ciao ciao ciao!“, singen Weihnachts- und ukrainische Volkslieder, sie dichten, reimen, spotten, empören sich, feiern. Sie ruhen sich aus, versorgen einander, wärmen, bekochen und bewirten sich. Sie halten zusammen und: fühlen sich frei. Eine neue Zeit ist angebrochen. Man spürt das.
Aktuelles politisches Geschehen in eine dokumentarische Form zu gießen, gelingt nur selten. Umso eindrucksvoller ist Sergei Loznitsas Film „Maidan“, der bereits wenige Monate nach den entscheidenden Kiewer Ereignissen vollendet wurde. Seine langen, ruhigen, unkommentierten Einstellungen formieren sich nicht nur allmählich zu einem Narrativ, sondern zu etwas viel Größerem – der Chronik eines revolutionären, nationalen Erwachens, und noch eine Stufe höher, dem universellen Bild eines Volksaufstandes. Die Präsenz der Tribüne wird vor allem akustisch erfahrbar, das Krachen der Rauchbomben und Heckenschützen später ebenso. Aus Sprechchören werden Schlachtrufe, aus Begeisterung und Esprit am Ende Kampf, Schwere, Trauer und Wehklagen.
Heute, wieder ein paar Monate später, wünscht man sich, dass mit dem Ende dieses Films die Zeit stehen geblieben wäre.

Barbara Wurm



Lobende Erwähnung im Internationalen Wettbewerb Dokumentarfilm 2014

Internationales Programm 2014
Positive Polina Kelm

Schnittmeisterinnen in einem Kiewer Filmstudio. Verstaubte Büchsen, knarrende Maschinen – eine zärtliche Reminiszenz an die verschwindende Welt des analogen Films und des Kollektivs.

Positive

Dokumentarfilm
Ukraine
2014
29 Minuten
Untertitel: 
englische

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Svitlana Zinovyeva
Regie
Polina Kelm
Musik
Anton Baibakov
Kamera
Maryna Liapina, Anna Voytenko, Ruslan Girin
Schnitt
Polina Kelm
Buch
Polina Kelm
Ton
Dmytro Skrypka
Sie sind ein echtes Kollektiv von altem Schrot und Korn, arbeiten und seufzen zusammen, kochen Eier mit dem Tauchsieder, tanzen auf der Weihnachtsfeier mit dem einzigen vorhandenen Mann und füttern treu ein paar Katzen durch. Lena, Taya und Tamara sind Schnittmeisterinnen in einem Kiewer Filmstudio. In schummrigen Gängen türmen sich verstaubte Büchsen mit dem Material ruhmreicher vergangener Zeiten, und knarrend drehen sich an den Uralt-Schneidetischen die Teller.
Zärtlich richtet Polina Kelm den Blick auf eine verschwindende Welt, in der Filme mit buchstäblichem Fingerspitzengefühl gemacht und ohne krachendes Popcorn mit respektvoller Aufmerksamkeit bedacht wurden, in der es um Handwerk ging und die doch im Stillstand verharrte wie ein ganzes Land. Zwar träumen die Frauen an ihren Klebepressen von einem Werk wie „Avatar“ – wohl wissend, dass ihr Studio und sie nie Teil dieser Industrie sein werden. Doch in einem haben sie zweifellos recht: Ein guter Film braucht kein 3D.
Grit Lemke

Swan

Animationsfilm
Ukraine
2014
4 Minuten
Untertitel: 
keine

Credits DOK Leipzig Logo

Produktion
Kateryna Zabavko
Regie
Oleksandr Danylenko
Musik
Kwoon
Schnitt
Oleksandr Danylenko, Kateryna Zabavko
Animation
Oleksandr Danylenko
Buch
Oleksandr Danylenko, Sandy Lavallart
Ton
Sandy Lavallart
Unsere Seelen sind wie Schwäne. Wir haben im Leben nur eine wahre Liebe. Aber die wahre Liebe schert sich nicht um Zeit und Entfernung.