„I love you“ am Telefon zu sagen, verlangt eine persönliche Vorgeschichte. Doch Hari hat seine zukünftige Braut Suman, mit der er diese zärtlichen Worte täglich austauscht, während er sein Taxi über die holprigen Straßen seines indischen Heimatortes am Fuße des Himalayas steuert, noch nie getroffen. Die Hochzeit ist arrangiert und die Jahrtausende alte Tradition dahinter die Vorgeschichte. Haris Vater hat erst Ruhe, wenn sein Jüngster, immerhin schon 30, endlich verheiratet ist. Dafür investiert er sein gesamtes Vermögen. Denn eins ist klar: die Hochzeit wird bunt und teuer.
Wer möchte schon seinen Vater unglücklich machen? Und doch hat Hari einen Weg gefunden, die Tradition ein Stückchen aufzuweichen: das Mobiltelefon. „Wenn du täglich miteinander telefonierst, würdest du dich am Ende sogar in einen Stein verlieben“, sagt er in seiner unnachahmlichen, pragmatischen Art. Immer wieder überrascht der meist zu Scherzen aufgelegte junge Mann durch seine Direktheit. Und doch: je näher die Hochzeit rückt, desto nachdenklicher und verschlossener wirkt er. Denn er weiß genau: ein Stein ist Suman nicht, und dass sie die Trennung von ihrer Familie nicht verkraftet, bleibt eine berechtigte Sorge.
Die Feuerprobe auf diese ungewöhnliche Liebe steht noch aus – am Ende einer langen Zeremonie, auf die das Brautpaar am wenigsten Einfluss hat. Die Geschichte dieser traditionellen Hochzeit lebt von den kleinen Anzeichen einer behutsamen Modernisierung, zu der Hari seinen bescheidenen Beitrag leistet.
– Lars Meyer